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Meilensteine Schönstatts

In der begleitenden und rückblickenden Reflexion über die Geschichte der Schönstatt-Bewegung hob P. Kentenich vier grundlegende Ereignisse hervor, die über die geschichtliche Bedeutung hinaus auch eine Relevanz für das innere Wachstum der Mitglieder der Bewegung haben. Diese werden in Anlehnung an römische Straßenmarkierungen als Meilensteine bezeichnet.

Der Lebensvorgang des vorsehungsgläubigen Suchens und Tastens nach den Plänen Gottes führte den Gründer in eine tiefe Gottesbeziehung hinein, die er mit dem Wort "Einbruch des Göttlichen" charakterisierte. Meilensteine sind diejenigen Schlüsselereignisse, an denen sich ein neuer Wachstumsring in der Entwicklung der Bewegung festmachen läßt.

1. Stehen in göttlichem Licht

Der erste Meilenstein ist verbunden mit dem Datum der Gründung Schönstatts, dem 18. Oktober 1914. Daß dieser Schritt zu wagen sei, wurde P. Kentenich deutlich durch die positive Reaktion der Pallottiner-Schüler auf die Gründung der Marianischen Kongregation, einen Zeitungsartikel über den Wallfahrtsort Valle di Pompei, den Versammlungsraum im alten Friedhofskapellchen und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. In der Marienweihe, von P. Kentenich später "Liebesbündnis" mit Maria als Mutter und Erzieherin benannt, und der Bindung an das Heiligtum sieht Kentenich einen "Einbruch des Göttlichen" und wertet es als einen Glaubensakt, den er als größtes Wagnis seines Lebens bezeichnete (Gründungsurkunden).

2. Stehen in göttlicher Zuversicht

Die aszetische Entfaltung des Liebesbündnisses brachte einen weiteren Wachstumsschritt mit sich. Der zweite Meilenstein trägt das Datum vom 20. Januar 1942. Im Umkreis dieses Tages kam es als Antwort der Schönstatt-Bewegung auf die nationalsozialistische Diktatur zur Vertiefung des Liebesbündnisses in den religiösen Haltungen von Blankovollmacht und Inscriptio.

P. Kentenich wurde am 20. September 1941 verhaftet. Als er im Koblenzer Gefängnis lagerfähig geschrieben wurde, versuchten Schönstätter, den Arzt zu bewegen, eine Nachuntersuchung Kentenichs aufgrund einer früheren Lungenerkrankung vorzunehmen. Doch P. Kentenich entschloß sich am 20. Januar 1942, dieses Angebot nicht anzunehmen und in blindem Vertrauen auf Gott den Weg auch in das Konzentrationslager Dachau zu gehen: "Die Antwort verstehe bitte aus dem Glauben an die Realität der Übernatur und die Schicksalsverwobenheit der Glieder unserer Familie!' (Brief vom 20. Januar 1942). Rückblickend sah Kentenich in diesem Ereignis die "Achse der Familiengeschichte", vor allem unter dem Aspekt des Hineinwachsens in die göttliche Tugend der Hoffnung.

In den schönstättischen Gemeinschaften ist ein wichtiges pädagogisches Ziel der persönliche Nachvollzug dieser Haltung. Die "Gleichschaltung" mit den Ereignissen im Umkreis des 20. Januar 1942 besteht darin, in die sowohl durch aktiven Vorsehungsglauben wie durch innere Freiheit und Offenheit gekennzeichnete Haltung des Gründers als Idealbild religiösen Lebens hineinzuwachsen. Im Sinne der "Einschaltung" geht es um eine innere Verbindung mit P. Kentenich selbst, der seit der Gefangenschaft in Koblenz und Dachau im Bewußtsein der Bewegung nicht nur als Gründer, sondern auch als "überzeitliches Haupt" und Vatergestalt lebt (Kontaktstelle).

3. Stehen in göttlicher Kraft

Der dritte Meilenstein trägt das Datum des 31. Mai 1949. Nach der Rückkehr aus dem KZ Dachau wollte Kentenich seine Gründung in die bestehenden kirchlichen Rechtsstrukturen eingliedern. Dazu schickte er die von ihm verfaßten Schriften zur Überprüfung an den Bischof von Trier und bat um die Entsendung einer Kommission, die die Spiritualität und Praxis der Schönstatt-Bewegung studieren sollte. Weihbischof Dr. Bernhard Stein führte jedoch eine Visitation der Gemeinschaft der Marienschwestern durch. Auf den Visitationsbericht antwortete P. Kentenich mit einer umfangreichen Studie, deren ersten Teil er am 31. Mai 1949 von Santiago-Bellavista (Chile) aus absandte. In prophetischer Klarheit und Offenheit diagnostizierte er darin eine Denkweise, die er für die Zukunft der Kirche als gefährlich und bedrohend ansah: "Es handelt sich darum, die Wurzel, den letzten Keim der Krankheit bloßzulegen und zu heilen, an der die abendländische Seele leidet: das mechanistische Denken!" (Vortr 31.5.1949). Um dieses großen Anliegens willen wagte er die Konfrontation mit der kirchlichen Autorität und setzte sogar bewußt die Existenz seiner Gründung aufs Spiel.

4. Stehen in göttlicher Sieghaftigkeit

In der Auseinandersetzung im Anschluß an den Brief vom 31. Mai 1949 ging es um die Stellung Schönstatts innerhalb der Kirche, wenn auch in paradigmatischer Weise implizit um die Stellung der Kirche in einer sich wandelnden und pluraler werdenden Welt. Im Unterschied dazu bezeichnet der vierte Meilenstein explizit die Aufgabe Schönstatts für die "Kirche am neuen Ufer", für die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Historisch geht es in den beiden Daten 20. und 22. Oktober 1965 um die Beendigung des Exils P. Kentenichs in Milwaukee durch Beschluß des Heiligen Offiziums und die Bestätigung dieses Beschlusses durch Papst Paul VI.

Kentenich forderte in seinen Vorträgen vom Herbst 1965 die Schönstatt-Bewegung auf, der Kirche bei der Verwirklichung der im Konzil neu akzentuierten ekklesiologischen Grundkonzeption zu helfen und selber dieses Kirchenbild exemplarisch darzustellen. Ein Versprechen in dieser Richtung gab der Gründer selbst dem Papst anläßlich seiner Audienz am 22. Dezember 1965.

In den Bezeichnungen, die Kentenich den Meilensteinen gibt, wird die Relevanz der geschichtlichen Ereignisse für einen Glaubensweg deutlich: "Stehen in göttlichem Licht - Stehen in göttlicher Zuversicht - Stehen in göttlicher Kraft - Stehen in göttlicher Sieghaftigkeit. Das Erfahrungswissen über das Handeln Gottes in der Geschichte ("elementarer Einbruch des Göttlichen von oben nach unten und elementarer Einbruch und Durchbruch des Göttlichen hinein in die gesamte Familie") wird konkret benannt und mit Wachstumsschritten des Glaubens verbunden. Die drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe erhalten eine soziale und individuelle Normierung. Die Meilensteine werden so zu Kurzformeln einer psychologisch-pädagogisch orientierten Glaubensschule.

Lit.: Vortr 3./4.1.1966; Anspr 12.4.1966; Vortr 1.6.1966; Anspr 20.1.1967.
E. Monnerjahn, Der dritte Meilenstein. Überlegungen zu einem aktuellen Jubiläum, Regnum 9 (1974) 76-94; J. Niehaus, The 31st of May. The Third Milestone, Waukesha 1995.

Autor: Joachim Schmiedl

Quelle: Schönstatt-Lexikon, Patris Verlag, Vallendar Schönstatt