1965-1968
8. Die drei letzten Jahre
Nun kommen wir zu den letzten Jahren der Tätigkeit P. Kentenichs, in denen er wieder frei wirken konnte. Nach der langen Zeit der Abwesenheit in Milwaukee wurde er nun anfangs in Rom und dann in Schönstatt gleichsam belagert von den Gemeinschaften und den Mitgliedern der Bewegung. Tonbandgeräte waren nun einen Sache des normalen Standards geworden, sodass wir aus diesen Jahren eine Fülle von Tonbandaufnahmen haben. Neben Ansprachen, die in der „Schönstattöffentlichkeit“ gehalten wurden, d.h. also an Anlässen, bei denen Mitglieder oder Delegierte verschiedener Gemeinschaften und Gliederungen zugegen waren, gibt es auch eine noch nicht übersehbare Menge von Texten, die aus geschlossenen Veranstaltungen für einzelne Gemeinschaften und Kreise stammen.
Es gibt viele Themen, die P. Kentenich in diesen Jahren an verschiedensten Stellen und vor verschiedenem Zuhörerkreis behandelte. Seine „ dialogische“ Art des Redens führt aber dazu, dass er an einem Ort, in einer Gemeinschaft ein Thema nur antönt oder antippt, das er an anderer Stelle ausführlicher oder präziser behandelt. Für systematische Studien ist es daher wichtig, eine größere Anzahl von Paralleltexten vor sich zu haben. Dazu Kommt, dass er in diesen Jahren oft sehr plaudernd sprach, und viele der Tonbandnachschriften einfach zu stark bearbeitend und zu wenig getreu sind - außer den Texten, die in der Patresgemeinschaft gemacht wurden.
In diesen letzten Jahren hat P. Kentenich nicht sehr viel inhaltlich Neues produziert. Er traf eine Schönstattfamilie an, die durch die lange Verbannungszeit z.T. ermüdet, verwundet und verunsichert war. Der Aufschwung und der Aufbruch durch das Konzil musste verarbeitet werden. Mehr als das vielen lieb war, hat daher P. Kentenich zunächst einmal den Blick in die eigene Familiengeschichte geworfen, die Verbannungszeit gedeutet und das in dieser Zeit Erreichte zu sichern gesucht. Angesichts des Konzils und der allgemeinen „ Aggiornamento-Stimmung“ hat er nicht die Parole ausgegeben: möglichst viel Neues und möglichst schnell apostolisch in die Breite, sondern zuerst einmal darauf hingewiesen, dass er in Schönstatt vieles von der Reform des Zweiten Vatikanischen Konzil antizipiert habe. Mit vielen Rückblenden und Wiederholungen von „ altem“ Stoff, der nun wieder aktuell war, versuchte er das Selbstbewusstsein der Verunsicherten zu stärken. Er wies auch auf die Grenzen des Konzils hin und wiederholte sein Lehre von der „Psychologie der Zweitursachen“, mit der er sowohl das Grundanliegen des Konzils zu treffen wie auch die Ergebnisse des Konzils zu übertreffen meinte.
Freilich sind die Texte dieser Zeit nicht nur retrospektiv. Die aktuellen Strömungen und Zeitfragen, die er vor allem aufgreift, sind: die „ Gott-ist-tot-Theologie“, die Exegese, die Sexualmoral (die Pille wurde aktuell, 1968: Humanae vitae), die Erbsündenlehre, der Zölibat. Doch ich meine, dass das Aufgreifen neuer Zeitprobleme hinter den oben genannten neuen Anliegen zurückbleibt. Ein letzter Grund, wieso wir relativ viele Wiederholungen finden, mag darin bestehen. P. Kentenich musste sehr viel sprechen, und oft ohne entsprechende Zeit zur Vorbereitung zu haben. Da griff er oft für den Beginnt bis er im „ geheimen Dialog“ etwas Spezifisches dieser Versammlung entdeckte) oder auch für den ganzen Vortrag in seine „ Hirtentasche“ und zog eine altbekannte und bewährte Disposition heraus.
Die Auswahl aus den Texten und die Entscheidung, was und wieviel man dazu sagen soll, ist nicht leicht und bleibt subjektiv. Wir teilen den Stoff so ein: zunächst sollen die vier großen Wochen (Oktoberwochen und Weihnachtstagungen) kurz vorgestellt werden. Dann folgen die für uns gehaltenen Gemeinschaftsexerzitien Anschliessend will ich einige grössere Texte oder Vortragsreihen besprechen, in denen Hauptthemen dieser Zeit behandelt werden. Dann bespreche ich eine kleine Auswahl von wichtigen Einzelansprachen.