Vortrag zum Silbernen Priesterjubiläum von Josef Kentenich

Meine liebe Schönstattfamilie!

Als vor ungefähr acht oder vierzehn Tagen die Einladung zur Jubelfeier durch die Lande weitergegeben wurde, raunte es wohl durch die Reihen unserer alten Sodalen, die von Anfang an mit mir zusammengearbeitet haben: Ja was, geschehen den noch Zeichen und Wunder? Ist das möglich? Wie haben die in Schönstatt das überhaupt fertig gebracht, eine Feier zu veranstalten? Und als einige der Ältesten herkamen, war natürlich die erste Frage: „Wie war es möglich?“ Man gab die Antwort: „Weil es der Sache dient, deswegen hat er eingewilligt.“

Ich weiss nicht, ob das der letzte Grund war, weshalb ich die Feier nicht nur zugelassen, sondern sogar dringend gewünscht habe. Das harte Wort ist wohl wahr, das ich so oft im Munde führe: „Wo ich stehe, da sterbe ich!“ Das harte Wort: „Der Bannerträger ist nichts, das Banner ist alles!“ Wenn das für Sie gilt, gilt es auch für mich. Der Sache haben wir zu dienen, die Person hat im Hintergrund zu stehen, und was die Sache verlangt, hat die Person herzugeben.

Ich weiss und habe das miterlebt, wie unsere Familienfeier die Familienbande wieder enger um uns geschlungen und wie die Treue zu unserer gemeinsamen Sache, zu unserer Dreimal Wunderbaren Mutter gestärkt worden ist, wohl auch die Treue zueinander. Ob wir eine Ahnung haben, dass wir die Plicht dieser tiefgehenden Gemeinschaft heute nötiger haben als je, weil die Zeitverhältnisse die Menschen so stark auseinanderreißen, weil die schwere und dunkel verhängte Zukunft aus ihrem Schoße mit der Zeit vermutlich Blitze hervorleuchten lässt. Mag sein, dass schwere Zeiten kommen. Und es ist wahr: je schwerer die Zeiten sind, desto enger müssen wir uns zusammenschließen als eine einzige große, von Gott gerufene Familie, um in harter Zeit uns zu verzehren für die Kirche Gottes, für das Reich der lieben Gottesmutter. All das besteht zu Recht, es war aber nicht der letzte und tiefste Grund für ein freudiges Jasagen und Herbeiwünschen der Feier.

Es ist eben in launiger Weise gesagt worden, was mich persönlich eigentlich bewegt: ich freie mit Ihnen Jubiläum. Ich denke da an all diejenigen, die im Laufe der 25 Jahre mit mir zusammengearbeitet haben. Um Ihr Jubiläum zu feiern, habe ich Sie eingeladen. Ist es denn nicht so: was der große Gott von Ewigkeit vorgesehen hat, ist mit der Zeit Wirklichkeit georden. Ich weiss nicht, ob es in der Gegenwart noch eine zweite Gemeinschaft gibt, deren Hauptträger in ihrem Schicksal so unmittelbar mit dem Schicksal des Leiters der Familie verknüpft sind, wie die unsere. „Quod Deus inuxit homo non separet.“ Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen. Sie können darum verstehen, dass ich all das, was Sie heute als Dankeshymnen hinausgesungen haben, vorallem das von einer schlichten Treue, mit einer inneren Rührung annehme, sie aber zurückleite an die Adresse, für die sie von Anfang an bestimmt waren, ich denke dabei an unsere liebe Dreimal Wunderbare Mutter.

Weshalb denn Dank? Wem soll ich danken? Ich danke allen Schönstattkindern. Ich danke den Toten, ich danke den Lebenden, ich danke den kommenden Generationen.

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Ob Sie es mir übel nehmen, wenn ich einmal versuche, Ihren Anteil an diesem Werk kurz zu umreißen? Dann muss ich Ihnen zunächst gestehen: Sie selbst haben einen ungemein starken Einfluss gehabt auf meine persönliche Entwicklung. Es ist wahr, was in scherzhafter Weise hingeworfen wurde; es ist wahr, was seinerzeit einer der Unsrigen sagte – es ist einer von useren Vortragsmardern, der jedem Vortrag nachläuft und ihn mit allen Mitteln zu erhaschen versteht – als ich einmal sagte, die Vorträge dürfen nicht weitergegeben werden: „Das weiss er ja alles nur von uns“.

Das Buch, das ich gelesen habe, ist das Buch der Zeit, das Buch des Lebens, das Buch Ihrer heiligen Seele. Hätten Sie mir Ihre Seeele nicht so Rückhaltlos erschlossen, die meisten geistigen Errungenschaften wären niemals entdeckkt worden. Aus Büchern kann man das nicht lesen, das kann man nur aus dem Leben lesen. Und recht hat auch eine von useren Marienschwestern, wenn sie vor ein paar Tagen meinte: „Weil wir so stark auf Sie angewiesen waren, ist in Ihnen auch so viel geweckt worden, was vermutlich ohne das nicht geweckt worden wäre.“ Wenn das erste sich mehr bezieht auf geistige Erkenntnis, so das zweite mehr auf die Entfaltung der Herzensfähigkeiten.

Gestern abend erinnerte mich einer unserer Alten daran, wie ich damals, als sie im Kriege waren, schon ein warmes Herz gehabt haben müsse. Ich hätte so unter der Hand für allerlei Kleinigkeiten gesorgt, für einen Kopfschützer, eine Unterjacke usw. Es ist wahr, für unsere damalige Jugend habe ich viel Herzwärme in mir lebendig werden lassen. Aber diese Entwicklung ist weitergegangen zu allen Menschen, die mir der liebe Gott geschenkt hat und die Forderungen an mich gestellt haben.

Wenn Sie wissen wollen, worin das Geheimnis einer fast überreichen Fruchtbarkeit liegt, dann darf ich Ihnen sagen: sie liegt in dieser tiefen, gegenseitigen innerseelischen Verknüpfung. Und wenn vorher gefragt wurde: „Woher kommt denn dieser Reichtum des Herzens und des Geistes?“, darf ich Ihnen sagen: Ein Mensch, der liebt, der letztlich seine Liebe hineingelegt hat in das Herz Gottes, nimmt in gewissem Maße teil am unermesslichen Reichtum der Gottesliebe. Und wenn irgend etwas nicht arm macht, dann ist es das Lieben, das Verschenken der Herzenswärme.

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Gemeinschaft bedeutet Zusammenklang der Herzen. Und wenn man sagen darf, dass die Familie ausgezeichnet ist durch eine tiefe innere Gemeinschaft der einzelnen Glieder, so kommt das zum größten Teil daher, weil die meisten ihr Allerbestes hineingegeben haben in die ganze Famlie. Ich darf Sie alle einzeln bitten, einmal ehrlich und demütig sich zu gestehen – wenn Sie das nicht wissen, bin ich gern bereit, Ihnen das privat zu sagen -, was in der Familie durch Ihr eigenes Herzblut lebendig geworden ist. Wenn Sie mir für irgend etwas dankbar sein wollen, dann ist es das eine, dass ich mich bemüht habe, alles das aufzugreifen, was in Ihnen am Werden war, Ihnen eine Gasse zu schlagen, und, nachdem es einigermaßen auch in der Gemeinschaft leben durfte, es auch als Parole herauszugeben. So könnte ich Ihnen sagen, wer der Hauptträger in unserer Missionsbewegung war. Ich habe als Baumeister ja einzeln aufgebaut. Wo ich wusste, dass etwas Gesundes am Werden war, habe ich mich vollständig zurückgezogen, weil ich dachte, es wird schon ohne mich wachsen.

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Dank muss ich aber auch aussprechen den noch nicht Lebenden, den Kommenden. Ja, was soll Schönstatt werden, wenn nicht die kommenden Generationen von demselben Geist erfasst und durchdrungen sind wie wir? Muss nicht in der Familie Gesetz bleiben für alle Zeiten: Jede Generation muss sich Schönstatt von neuem erobern. Wenn dieser mein Dank an die kommenden Generationen der folgenden Jahrhunderte nicht eine Basis bekommt in der Entwicklung der kommenden Zeiten, stehen wir im Großen und Ganzen vor den Gräbern unserer Familie. Wenn Gott uns nicht Menschen erweckt zu jeder Zeit, die mit denselben Mitteln nach denselben Zielen und auf demselben Wege streben, dann haben wir ein Werk aufgebaut, das eine Eintagsfliege ist, das nicht Ewigkeitsdauer hat. Ich hoffe aber, dass uns der Gott, der uns bisher geschützt, dass die Gottesmutter, die bisher über die Familie die Hände so liebevoll ausgebreitet hat, dass beide Gnade und Güte walten lassen, und um unserer Treue willen, mit der wir uns bbemüht, das ererbte Gut an die kommenden Generationen weiterzugeben, uns jeweils in allen kommenden Zeiten Menschen schenken, die ihr Herzblut hingeben für Schönstatt. Diesen kommenden Generationen möchte ich auch von dieser Stelle aus herzlich danken.

Ich kenne auch noche ien zweite Adresse. Die kennen Sie auch. Ich meine, der Dank, der mich in diesen Tagen traf un den ich zurückgeben durfte an Sie, soll von der gesamten Familie aufgefangen und hineingelenkt werden in das Herz unserer lieben Dreimal Wunderbaren Mutter und Königin von Schönstatt.

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So sei es denn noch einmal gesagt: Alle Dankeshymnen möchte ich auffangen und emporsenden zum Dreifaltigen Gott, ihm zur Ehre und Ihnen zum Dank.


Vortrag zum Silbernen Priesterjubiläum von Josef Kentenich, gefeiert am 11. August 1935 (eigentlicher Weihetag 08. Juli)