Das Reich des Vaters

Ansprache an die Männerbewegung

Schönstatt, 1966. 18. 06.

Und nunmehr die große Aufgabe, die wir von Schönstatt her haben - uns vermutlich unbekannt und doch im Laufe der Jahre immer klarer und klarer herausgestellt und herausgeschält -, dafür zu sorgen: letztlich daß der Vatergott überall anerkannt wird, aber auch gleichzeitig (der irdische Vater); schon deswegen gleichzeitig, weil der Vatergott nirgendwo anerkannt werden kann, wenigstens nicht im größeren Ausmaße, wenigstens nicht dauernd, wenn nicht auch gleichzeitig der Vater in der Welt, der natürliche leibliche Vater, wenn nicht auch gleichzeitig der Vater in der Familie wieder die Stellung erhält, die ihm nach Gottes Absicht eignet!

/.../Hingabe an den natürlichen Vater, Verbindung tiefergehender Art mit dem natürlichen Vater, was bedeutet das für den himmlischen Vater? Das ist an sich auf der einen Seite das vorzüglichste Mittel, um den himmlischen Vater wieder hineinzubringen in die heutige Menschheit, hineinzubringen auch in das menschliche Herz, und nicht zu vergessen: auch hineinzubringen in unsere Familie! Wenn wir eine wachsende Männerbewegung, mehr noch, eine wachsende Familienbewegung kennen und nennen, dann weiß das und heißt das: alle, die dazu gehören, die haben die große Aufgabe, den kommenden Männergenerationen das Ideal des echten Vaters vorzuleben!

/.../Das Ideal des Mannes, wie es grundgelegt ist in der Natur des Mannes, lautet: puer et pater, Kind und Vater. /.../ Es kann niemand Vater sein, der nicht gleichzeitig Kind ist. Ideal der Erziehung -. Ach, man schwant das heute, man redet sich das heute ein: man darf heute dem jungen Manne nichts sagen von Kindlichkeit. Sicher, ich muß das nicht gleich sagen; es dauert etwas, bis dieser Ton anklingt. Aber der Ton des Saiteninstruments liegt im jungen Manne! Und erst, wenn ich sagen darf "Vater" -. Sie mögen hingehen, wohin Sie wollen: Wo das moderne Leben heute Niederschläge gefunden, will keiner mehr etwas von "Vater" wissen, am wenigsten die Väter selber! Die sind es satt, sich von der öffentlichen Meinung so mißhandeln zu lassen. Freunde höchstens möchten sie sein; haben nicht einmal den Mut, als Freund ihrer Kinder aufzutreten.

/.../ Wann beginnt an sich meine Erziehung zur Vaterschaft? - Ich nehme jetzt einmal an, wir wollen alle heiraten; nehme auch an, wir wollen nicht heiraten, wollen also einer religiösen Gemeinschaft beitreten oder sonst jungfräulich bleiben: das Ideal des Mannes bleibt Väterlichkeit. Die (Erziehung zur Vaterschaft) beginnt von dem Augenblicke (an), wo ich anfange, mich selber zu erziehen! Und wenn Fremderziehung in mein Leben eingreift, was ist das klare Ideal? Die mich erziehen wollen, müssen von Anfang an das Ideal im Hinterkopf haben: Das soll ein echter Vater werden! Damit er es aber werden kann, muß er dem lebendigen Gott gegenüber ein einfältiges Kind werden.

/.../ Wenn der Heiland als große Norm aufgestellt hat für die Aufnahme in sein Reich -. Ja, was sollt ihr? "Wenn ihr nicht werdet wie dies Kind, wie die Kinder, könnt ihr nicht in mein Reich aufgenommen werden" (Mt 18,3) - das gilt doch gar nicht etwa nur für Mädchen und Frauen; gilt hier sogar für kraftvolle Männer, Mannesgestalten, die nachher die Kirche Gottes, das Joch der Kirche Gottes tragen sollten!

/.../ In unserer Familie - wenigstens in den Elitekreisen, wie sie hier vertreten sind - hat nur jemand Platz (und) Recht, von dem es gilt: qui insignes esse volunt, die sich auszeichnen wollen. Nur die haben einen Platz in unseren Reihen. Auszeichnen wollen - worin? Im Ringen und Streben nach der Verwirklichung des echten Mannesideals! Wir wollen also nicht lange Zeit herumstreifen als junge Männer und warten, bis wir uns ausgetobt haben. Nein, sobald wir fähig sind, das Zügel oder die Zügel selbst in die Hand zu nehmen, steht als Ideal vor uns die kraftvolle Vater- als Mannesgestalt!
/.../
1. Die erste Eigenschaft: die unveränderlichkeit Gottes.

/.../ Was das für mich als Mann bedeutet? Ich muß unveränderlich in meinen Auffassungen bleiben, unerschütterlich letzte Ideen künden, letzte Ideen festhalten! Wer kann das heute, in der heutigen Zeit? (Das) sieht man nicht einmal als Ideal an und ist doch von solch elementarer und elementarster Bedeutung.

/.../ Der Vater in der Familie bedeutet die primäre Autorität, weil er Abbild des Vatergottes ist und weil die proprietas des Vatergottes das Erzeugen ist und weil der Vater an dieser proprietas Gottes teilnimmt: er ist der Erzeuger. Weil dem so ist, deswegen stellt er die primäre Autorität auch in der Familie dar. (Die) Autorität der Mutter ist eine sekundäre, eine anlehnende, eine ergänzende Autorität. Wie das alles klingt gegenüber dem, was heute durch den Blätterwald hindurchrauscht!

/.../ Nicht wahr, heute hören wir die Jugend immer wieder hinausschreien: Wir erkennen keine Autorität mehr an! Zutiefst heißt das aber: Wir erkennen nicht mehr die mißbrauchte Autorität an! Unsere Väter haben im Laufe der letzten Jahrzehnte ihre Autorität mißbraucht oder sie überhaupt nicht angewandt. Der junge Mensch beugt sich jeglicher echten Autorität, wenn sie richtig angewandt wird.
/.../

2. Ich als Vater muß allgegenwärtig sein! /.../ Die Kinder sind wenigstens immer in meinem Kopf und in meinem Herzen. Erzieher sind Liebende, die nie von ihrer Liebe lassen. Vater sein, (d.h.) meine Kinder leben in meinem Herzen, meine Kinder leben in meiner Phantasie, meine Kinder leben in meinem Kopfe. Allgegenwart.
/.../ Das bedeutet die vollständige Hingabe an das Du meiner Kinder. Dann bin ich nicht zunächst der Mittelpunkt, (sondern) meine Kinder sind der Mittelpunkt, dafür bin ich da! Die Kinder sind nicht zunächst für mich da, ich bin für die Kinder da. Wenn ich ein solches Vaterbild verkörpern will, glauben Sie nicht, daß Sie dann warten können, bis der liebe Gott Ihnen das erste Kind schenkt. Dann muß die Paternitas fertig sein als innere Haltung! Wenn Sie dann erst anfangen, dann ist Schluß der Vorstellung; dann dürfen Sie das nicht erwarten, daß das noch möglich ist.
/.../
3. Abglanz des Vatergottes will drittens heißen: allwissend. Natürlich kann das nur heißen, kann (das) nur gesagt werden bis zu einem gewissen Sinne, bis zu einem gewissen Grade. Ich will alles wissen um meine Kinder. Das (darf ich natürlich) nicht aus denen herauspressen, nicht mit der Peitsche herausschlagen. Ein solches Vertrauensverhältnis muß es sein zwischen mir und meinen Kindern, daß die Kinder keine Ruhe haben - wenigstens keine Ruhe haben, solange ich mich bemühe, die Qualitäten mir anzueignen - also keine Ruhe haben, bis sie den Weg zu mir gefunden haben auch in all ihren inneren Nöten.
Nicht nur allwissend, (auch) allweise. Der Vatergott weiß abzumessen, ob er Forderungen stellt oder Freiheit lassen kann, muß abmessen, ob er belohnen oder strafen soll.
/.../
4. Gott ist der Allheilige. Wie sieht meine Heiligkeit aus? Meine Heiligkeit besteht darin, daß ich weiter nichts kenne in meinem Leben, als den Willen des ewigen Vatergottes anzuerkennen: ein Ja sagen zum Willen Gottes.

Wir müssen (uns darum bemühen) gerade in der heutigen Zeit, wo die Welt ja überhaupt keine Ahnung mehr davon hat, wie der liebe Gott die Welt führt; wo die meisten von uns es ja nicht fertigbringen, wenn der liebe Gott Hammerschläge verteilt, standzuhalten; wo wir ihn nicht mehr verstehen, wenn die Welt voller Ungerechtigkeit zu sein scheint - und dahinter soll der lebendige Gott stehen? Heiligkeit: Ja sagen zum Willen Gottes; auch dann, wenn der Wille Gottes (für) uns vorgesehen, für mich vorgesehen hat Leid in Hülle und Fülle. Verstehen Sie, bitte, was das für ein Ideal darstellt, ein gigantisches Ideal! Und danach muß ich streben!

5. Er ist der Gerechte. /.../ Wir müssen den lebendigen Gott repräsentieren als den Schützer der Ordnung. Darum selber Ordnung halten, in gewissem Sinne auch Ordnungstyp sein.
/.../
6. Aber auch das Ideal des barmherzigen Gottes.
/.../Sehen Sie, deswegen das Bild des Himmelsvaters. Ich meine, wenn wir schnell in der Heiligen Schrift nachblättern, da haben wir den barmherzigen Samaritan (Lk 10,30-37) oder den Vater, der den verlorenen Sohn an sich zieht, weil er Vater ist, nicht weil der Sohn das verdient hat.
/.../
Sehen Sie, dann die Erkenntnis: Das geht nicht allein mit Hilfe der Gottesmutter, unter ihrem Schutze. Was müssen wir? Die Gottesmutter vom Himmel herunterholen! Um was geht es hier? Heimsuchung! Die muß Schönstatt heimsuchen! Die muß sich niederlassen hier in unserem Heiligtume! Und dann ist sie da, sie muß uns erziehen! Sie, nicht wir!

/.../ Wenn wir beten zum lieben Gott - das ist eben der liebe Gott. Was man darunter versteht, das wissen wir wahrscheinlich nicht einmal; das ist so etwas Allgemeines. Und nun aber: den lebendigen Gott als Vatergott müssen wir (kennen)lernen! Sonst werden wir alle irre an der heutigen Weltregierung. Und (wir) müssen den Vatergott imitieren in seiner Liebe, auch in seiner Gerechtigkeit, auch in seiner Strafgewalt und -macht! Wenn wir das nicht tun, dann verfärben wir das Vaterbild Gottes.
/.../
Wenn wir der Gottesmutter die Bündnistreue bewahren, dann darf ich Ihnen versichern: das Unmöglichste wird möglich und wird Wirklichkeit.