Werktagsheiligkeit

Das mündliche Gebet, besonders das Bittgebet


Der Werktagsheilige kennt und liebt alle Arten des Gebetes. Er betet Gott in Demut und Ehrfurcht an, er lobt und preist seine Güte und wird nicht müde, für all seine Wohltaten und Herrlichkeiten zu danken. Dabei vergißt er aber auch nicht das Bittgebet. Nichts kann ihn in der Überzeugung erschüttern, daß der Himmelsvater ihm alles gibt, was zu seinem Besten gereicht, wenn sein Gebet nur die richtigen Eigenschaften hat.

1. Es muß vor allem recht demütig verrichtet werden. Gott gegenüber sollen wir uns immer als armselige Bettler vorkommen. Wir haben kein zwingendes Anrecht auf die helfende Gnade, wir sind ganz und gar angewiesen auf seine Barmherzigkeit. Bettlergesinnung ist aber Demutsgesinnung, und Demutsgesinnung ist im wesentlichen Kindesgesinnung. Das Kind aber ist der Erhörung von seiten des Vaters sicher, wenn das Erbetene zur Verherrlichung Gottes und zu seinem eigenen Besten dient. Die Hl. Schrift zeigt uns immer wieder, daß diese kindliche Demutsgesinnung nötig und wirksam ist.

Abraham nennt sich Gott gegenüber nur Staub und Asche. Und David beruft sich auf die Barmherzigkeit Gottes und die Hilflosigkeit seines Volkes. Der Heiland weist uns hin auf das Beispiel des armen Zöllners und des Pharisäers. Der eine schlug demütig an seine Brust und ging gerechtfertigt nach Hause. Jener hingegen nicht, weil er sich selbst für gerecht hielt. Auch die liebe Gottesmutter hat diese Wahrheit in ihrer schlichten Art ausgesprochen: »Niedrige erhöht er ... Reiche läßt er leer ausgehen« (Luk. 1,52 f.).

2. Unsere Demut muß sich stets mit Vertrauen paaren. Demut und Vertrauen gehören immer zusammen. Demut ohne Vertrauen treibt in dumpfe Verzweiflung hinein. Und Vertrauen ohne Demut ist Vermessenheit oder Leichtsinn. Wenn wir es doch besser verständen, ruhig auf uns selbst zu schauen, wo wir so viel Armseligkeit, Schwäche, Versagen und Sünde sehen, und dabei gleichzeitig nach oben zu blicken zum allmächtigen, gütigen Vater, der nur auf unser kindlich-vertrauendes Bitten wartet, um uns um der Verdienste Christi willen zu helfen. Es ist für ihn eine Ehre und Freude, wenn wir als seine Kinder einerseits im Kerker der Hilflosigkeit liegen und anderseits mit unermeßlichem Vertrauen aus diesem Kerker heraus die Arme emporstrecken zu ihm. Das ist eine Verherrlichung seiner Barmherzigkeit und Allmacht. Deswegen mahnt uns der Heiland immer wieder, dieses Vertrauen möglichst vollkommen zu üben. »Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden. Einer aus euch bittet seinen Vater um Brot, wird er ihm wohl einen Stein reichen? Er bittet um einen Fisch, wird der ihm statt des Fisches eine Schlange geben? Oder er bittet um ein Ei, wird der ihm einen Skorpion geben?« (Luk. 11,9 ff.). Bei einer anderen Gelegenheit sagt der Heiland: »Alles, um was ihr im Gebete gläubig bittet, werdet ihr erhalten« (Matth. 21,22). Er selbst bittet ja in uns! Heißt es nicht Mißtrauen haben gegen Gott selbst, wenn wir, die wir in Christus eingegliedert sind, nicht rückhaltlos vertrauen? Als echte Gotteskinder müßten wir Wunder der Demut und Wunder des Vertrauens sein! Je schlichter und selbstverständlicher dieses kindliche Vertrauen ist, um so lieber ist es dem Vatergott, um so sicherer ist die Erhörung.

So erzählte mir einmal ein Priester, wie er innerlich beschämt worden sei durch das kindliche Vertrauen eines schlichten Bergmannes. Dieser hatte in seiner Ehe nach menschlicher und ärztlicher Voraussicht keine Hoffnung auf Kindersegen. Kindlich und unerschütterlich vertraute er aber auf Gottes Erbarmung, und er gelobte, wenn der liebe Gott ihm ein Kind schenken würde, dann sollte es in besonderer Weise der lieben Gottesmutter geweiht sein. Sein Vertrauen fand Belohnung. Er war bald ein glücklicher Vater.